Die Samen in Norwegen Download im PDF Format Eine ethnische Minorität und ein eigenes Volk; gleichzeitig aber norwegische Mitbürger.
Das ist die offizielle norwegische Definition der samischen* Minderheit. So war es jedoch nicht immer. Seit 1980 hat sich die Rechtslage der Samen, der Urbevölkerung Norwegens, wesentlich
gebessert. Diese veränderte Einstellung kommt in einem Artikel des Grundgesetzes zum Ausdruck, der im Jahre 1988 vom norwegischen Parlament, dem Storting, verabschiedet wurde. Er lautet: "Es obliegt den Behörden
des Staates, die nötige Voraussetzung zu schaffen, damit die samische Bevölkerungsgruppe die Möglichkeit erhält, ihre Sprache, ihre Kultur und ihr Gemeinschaftsleben zu wahren und zu entwickeln." Das Gesetz über das Sameting
(das samische Parlament) und über andere samische Rechts- belange (das sogenannte Samengesetz) enthält die Hauptregeln für das staatliche Sameting, das im Jahre 1989 offiziell eröffnet wurde. In diesem Artikel, der seinen
Ausgangspunkt in der frühen Geschichte nimmt, werden der Tätigkeitsbereich des Sametings und andere aktuelle, die samische Bevölkerung betreffende Fragen beschrieben. Von Dr. phil. Elina Helander Die Samen sind eine Urbevölkerung und eine ethnische Minorität in Norwegen, Schweden und Finnland; und auch auf der russischen Halbinsel Kola leben Samen. In neuerer historischer Zeit
das heißt, vom 16. Jahrhundert an haben in fast allen Gebieten der nordischen Länder, die heute eine ständige samische Besiedlung haben, Samen gewohnt. Das samische Gebiet erstreckt sich von
Idre in Dalarna in Schweden bis hinunter nach Engerdal im südnorwegischen Fylke** Hedmark sowie nach Norden und Osten bis Utsjoki in Finnland, Varanger in Norwegen und zur Halbinsel Kola in Rußland.
Insgesamt gibt es schätzungsweise 60-100 000 Samen; eine vorsichtige Schätzung würde 70 000 ergeben. Für Norwegen hat man eine Bevölkerungszahl von 40-45 000 Samen errechnet, mit der größten Konzentration in Finnmark, wo ca. 25 000
Samen leben. Schweden hat rund 17 000 und Finnland etwa 5700 Samen, während es in Rußland 2000 gibt. In einer Reihe von Zusammenhängen wird der Begriff "Same" ohne genauere Definition verwendet.
Laut Samengesetz vom 12. Juni 1987 Nr. 56 ist man Same, wenn man sich selbst als Samen auffaßt und außerdem Samisch als Muttersprache hat, oder wenn man Eltern oder Großeltern hat/hatte, deren Muttersprache Samisch ist/war.
Somit ist in Norwegen die samische Sprache von entscheidender Bedeutung, wenn die samische Zugehörigkeit bestimmt oder wenn entschieden werden soll, wer bei der Sameting-Wahl Stimmrecht hat oder selbst wählbar ist. Eine
ähnliche Definition findet sich in Finnland in Verbindung mit dem Register der Samen im finnischen samischen Parlament. Wenn die Schweden ein vergleichbares Organ bilden, werden sie vermutlich eine entsprechende Definition
verwenden. Kurzer historischer Überblick Die älteste literarische Quelle über die Geschichte der Samen stammt von dem Römer Tacitus. In seiner Schrift über Germanien vom Jahre 98 n.Chr. (De origine et
situ Germanorum) liefert er die Beschreibung eines Volkes, das er "fenni" (Fennen) nannte. Im Jahre 555 n.Chr. beschreibt der griechische Historiker Prokopios einen Krieg zwischen Römern und Goten. Skandinavien nennt er
Thule. Eins der zahlreichen Völker, die in Thule lebten, sollen die "Skridfinnen" gewesen sein. Paulus Diaconus schreibt Mitte des 8. Jahrhunderts ebenfalls über die "Skridfinnen", ein Volk von Jägern
und Skiläufern, das den Hirschen ähnliche Tiere hielt (Rentiere). Die isländischen Sagas bestätigen diese älteren Auskünfte. Die Sagas wurden im großen ganzen im 13. Jahrhundert geschrieben und berichten von Ereignissen aus der
Zeit vom 10. bis zum 13. Jahrhundert n.Chr. Kaufleute, die mit den Samen Handel trieben, kauften und verkauften Waren und zogen Steuern ein. Zu dieser Zeit waren Tierhäute die wichtigste Handelsware, während in der Wikingerzeit und
im Mittelalter unter den Leuten im Norden eine große Nachfrage nach Pelzen herrschte. Die wichtigste Informationsquelle über die Samen in älterer Zeit ist der Bericht Ottars vom Ende des 9. Jahrhunderts. Ottar diente
am Hof des englischen Königs Alfred der Große. Er erzählte dem König vom Leben in seiner Heimat, und dieser Bericht wurde der angelsächsischen Fassung König Alfreds von Orosius' Weltgeschichte hinzugefügt. Man nimmt
an, daß Ottar in der Nähe von Malangen in Norwegen beheimatet war. Ottar erzählt, er habe 800 Hausrene besessen, darunter einige Locktiere, die besonders wertvoll waren. Seine Haupteinnahmequelle waren jedoch die Steuern, die
er von den Samen einzog. Im Jahre 1673 gab Johannes Schefferus sein Buch Lapponia heraus, das über das Leben der Samen zu jener Zeit wertvolle Kenntnisse vermittelt.
Im Mittelalter konkurrierten Schweden, Norwegen (später Dänemark-Norwegen) und Rußland um die Herrschaft über die samischen Gebiete, und zeitweise zahlten die Samen Steuern an mehrere Staaten gleichzeitig. Schweden und
Dänemark-Norwegen erzielten im Jahre 1751 Einigkeit über eine Grenze, und eins der Ergebnisse war, daß Schweden die beiden Pfarreien Kautokeino und Karasjok in Finnmark an Dänemark-Norwegen abtrat. Norwegen und Rußland einigten
sich 1826 über eine Grenze. Frühe Schriften beschreiben die Samen als Heiden, und schon um 1100 fing man an, in den samischen Siedlungsgebieten Kirchen zu bauen. Im Jahre 1714 wurde ein Missionskollegium in Kopenhagen
gegründet, und zwei Jahre später erhielt der Pietist Thomas von Westen die Aufgabe, die samische Missionsarbeit zu leiten. Thomas von Westen predigte im gesamten samischen Gebiet Norwegens im Zeitraum von 1716 bis 1727. Das
Kollegium sorgte auch für Bildung. Von Westen leistete heftigen Widerstand gegen den samischen Schamanismus, dessen tragende Elemente der Schamane und die Schamanentrommeln waren. Dennoch ermutigte er die Missionare und die
Geistlichen, die samische Sprache zu verwenden. Dieser seiner Politik begegnete man nach seinem Tod im Jahre 1727 mit zunehmendem Widerstand. Im 19. Jahrhundert spielte Niels Vibe Stockfleth, Priester und Missionar, eine sehr
aktive Rolle unter den Samen, und sein Interesse für die samische Sprache trug wesentlich zu ihrer Anerkennung bei. Er übersetzte unter anderem das Neue Testament
ins Samische. Zu den wichtigsten Ergebnissen, die Stockfleth erzielte, gehört die Einführung der samischen Sprache als Fach an der Universität in Oslo (damals Kristiania). Im Mittelalter lebten die Samen von Jagd und
Fang. "Siida" ist ein zentraler Begriff für das Verständnis der traditionellen Samengemeinschaft. "Siidaer" waren kleine Lokalgemeinschaften, von denen jede ihr eigenes Landgebiet hatte. Das Nordische Samische
Institut (Nordisk-Samisk Institutt) hat durch seine Forschung nachgewiesen, daß diese "Siidaer" praktisch das Besitzrecht an ihren Gebieten hatten. Im 17. und 18. Jahrhundert setzte allen Ernstes die Kolonialisierung
der nordischen Gebiete ein. Die Siedler konzentrierten sich auf die Landwirtschaft - eine Erwerbstätigkeit, die zu den traditionellen samischen Erwerbszweigen in scharfem Kontrast stand. Sie hatten Häuser, Butter, Wolle und Milch -
Produkte, die vielen Samen interessant erschienen. Zahlreiche Neuankömmlinge aber übernahmen die Lebensart der Samen, indem sie ihre Sitten, Kleidung, Ernährungsweise und Haushaltsführung kopierten. Die Anwendung
der sozialen Theorien von Charles Darwin führte um 1850 zu einer neuen Einstellung den Samen gegenüber. Die erste von mehreren Reformen wurde in den Schulen durchgeführt. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Lehrer angewiesen,
in den Schulen den Gebrauch der samischen Sprache zu vermeiden. Von 1902 an war es verboten, jemandem Land zu verkaufen, der nicht Norwegisch sprechen konnte. Der Prozeß der "Norwegisierung" war also in vollem Gange und
hielt bis in die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen an, als eine offensive Politik zum Ziel hatte, die samische Sprache ins Norwegische umzusetzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte die norwegische Politik
gegenüber den Samen ihren Charakter. Es wurde eine Reihe von Studien über den Schulunterricht angefertigt und eine liberalere Politik betrieben, aber es dauerte eine Zeit, bevor die neue Politik zu wirken anfing. Die
entscheidende Veränderung kam in den 60er Jahren, als das Recht der Samen, ihre eigene Kultur aufrechtzuerhalten, offiziell anerkannt wurde. An den Schulen wurde Samisch zur Unterrichtssprache, und es wurden neue Einrichtungen
geschaffen wie etwa das samische Museum in Karasjok und ein Kulturzentrum für die Südsamen. Als 1980/81 zur Stromgewinnung der Fluß Alta gestaut wurde - ein Projekt, das viele Samen erzürnte -, lenkte der sich daraus
ergebende Streit größere Aufmerksamkeit auf die Samen und führte zu neuen Studien und neuen Maßnahmen. Jüngste Entwicklungen Die offizielle norwegische Politik basiert heute auf dem Prinzip, daß die Samen
trotz ihrer norwegischen Zugehörigkeit eine ethnische Minorität und ein eigenes Volk darstellen. Der Rechtsstatus der Samen hat sich im Verlauf der 1980er Jahre wesentlich verbessert. 1980 wurden zwei Ausschüsse
gebildet. Der eine sollte sich mit Fragen der samischen Kultur befassen (der "Samische Kulturausschuß" - Samekulturutvalget), der andere mit samischen Rechtsfragen (der "Samische Rechtsausschuß" -
Samerettsutvalget). Zu den Mandaten des Kulturausschusses gehörte es, die Frage eines samischen Sprachengesetzes zu behandeln, und im Frühjahr 1990 legte die Regierung eine Proposition über gesetzliche Bestimmungen für den Gebrauch
der samischen Sprache vor. Ziel des neuen Gesetzes ist es, die samische Sprache mit der norwegischen auf eine Stufe zu stellen und die Möglichkeit der Verwendung der samischen Sprache in offiziellen Zusammenhängen zu verbessern.
Das samische Sprachengesetz wird aller Wahrscheinlichkeit nach im Frühjahr dieses Jahres in Kraft treten. Der samische Rechtsausschuß erhielt ein umfassendes Mandat. Erste Priorität gibt der Ausschuß der Frage der
im Grundgesetz verankerten Rechte des samischen Volkes sowie eines offiziellen Repräsentationsorgans für die Samen. Diese Themen sind Inhalt des "Norwegischen Offiziellen
Reports" (NOU) 1984:18 über den Rechtsstatus der Samen. Der Bericht des Ausschusses enthielt einen Gesetzesentwurf über das samische Parlament Sameting sowie über andere Rechtsbelange der Samen. Die kommenden Berichte des
samischen Rechtsausschusses werden die Rechte der Samen bezüglich der Verwaltung der natürlichen Ressourcen in Gebieten mit samischer Besiedlung behandeln. Im April 1988 verabschiedete das norwegische Storting den
einleitungsweise bereits zitierten neuen Grundgesetzartikel 110a. Im Jahre 1990 ratifizierte Norwegen die ILO-Konvention Nr. 169 (die Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation) über die Urbevölkerungen, die
die Rechte der Urbevölkerungen und der Stämme zum Inhalt hat und auf der 76. Tagung der internationalen ILO-Konferenz beschlossen wurde. Im norwegischen Ministerium für das Kommunalwesen gibt es jetzt für samische
Angelegenheiten einen eigenen politischen Beauftragten. Sprache und Kultur Die samische Sprache Samisch ist eine den ostseefinnischen Sprachen (Finnisch, Estnisch usw.) nah verwandte finnisch-ugrische
Sprache. Über den Ursprung des Samischen gibt es mehrere Theorien. Einer von ihnen zufolge haben die Samen früher eine ganz andere Sprache gesprochen - Protolappisch. Andere Theorien besagen, daß die Vorfahren der Samen, von
denen man normalerweise annimmt, sie seien aus dem Osten gekommen, eine ganz andere - mit dem Ostseefinnischen verwandte - Sprache gesprochen haben, und daß diese entscheidend vom Kontakt mit dem Finnischen beeinflußt war.
Der Begriff "die samische Sprache" ist irreführend, da von mindestens drei verschiedenen Sprachen die Rede sein kann: Ostsamisch, Zentralsamisch und Südsamisch. Zentralsamisch umfaßt Nord-, Lule- und
Pitesamisch. Üblicherweise wird auch angenommen, daß es folgende Hauptdialekte gibt: Südsamisch, Umesamisch, Pitesamisch, Lulesamisch, Nordsamisch, Enaresamisch, Skoltesamisch, Kildinsamisch und Tersamisch. In Norwegen sprechen
etwa 20 000 Menschen die samische Sprache, in Finnland ca. 3000, in Schweden ca. 10 000, und in Rußland wird sie von etwa 1000 Menschen gesprochen. Die Mehrheit der der samischen Sprache mächtigen Einwohner spricht Nordsamisch.
In Norwegen wird Nordsamisch in den Fylker Finnmark, Troms und Nordland nördlich von Ofoten gesprochen. In einigen Gegenden des Fylke Nordland spricht man Lulesamisch. Südsamisch wird von Nordland bis zum Fylke Sør-Trøndelag
gesprochen. In Varanger in Ostfinnmark wird auch Skoltesamisch (Ostsamisch) gesprochen. Die samische Sprache folgt keiner Staatsgrenze. In Norwegen kann man, was die samische Sprache betrifft, zwischen drei Gebieten
unterscheiden: dem Kern- und dem Küstengebiet sowie dem übrigen samischen Gebiet. Im Kerngebiet ist Samisch die Alltagssprache und ist im Begriff zur offiziellen Sprache zu werden. Im sogenannten Küstengebiet sprach
man traditionell Samisch; hier aber macht sich das Norwegische immer stärker geltend. Im übrigen samischen Gebiet wohnt die Bevölkerung verstreut und in vielen Fällen mit nur wenig Kontakt zueinander. Obwohl die Einstellung zur
samischen Sprache in keiner Weise diskriminierend ist, ist die Anpassung ans Norwegische so weit fortgeschritten, daß es schwerfällt, das Samische zur allgemein verwendeten Sprache zu machen. In den beiden letztgenannten
Gebieten gibt es natürlich Ecken, wo die Leute sehr daran interessiert sind, die Sprache zu erhalten. Samische Kinder haben jetzt das Recht auf Unterricht im Samischen und auf Samisch. In Kautokeino gibt es einen
samischen Unterrichtsrat, der sich mit diesbezüglichen Fragen beschäftigt. Samische Kultur Kultur - Tradition und Gegenwart
Viele Elemente der samischen Kultur lassen sich in Richtung Osten im arktischen und subarktischen Teil Europas und Asiens wiederfinden. Andere kulturelle Erscheinungen sind ein Ergebnis des Kontakts mit Nordländern - ein
Kontakt, der schon vor der Wikingerzeit zustande kam. Die samische Kultur ist deutlich davon geprägt, daß die Samen früher Fischer und Jäger waren. Im 16. Jahrhundert entwickelte sich die Jagd auf wilde Rentiere gradweise zur
Rentierhaltung mit dem Ergebnis, daß die Samen zu Nomaden wurden. Heute gibt es nicht viele Samen, die als Nomaden leben: In Norwegen sind weniger als zehn Prozent der samischen Bevölkerung Rentierhalter. Hauptelemente der
samischen Kulturtradition sind der "Joik" (eine Art Jodeln, das aus rhythmisch gesungenen Gedichten oder poetischen Liedern besteht), die samische Sprache und samische Sagen, samische Zelte, ökologische Kenntnisse, der
Schamanismus, Volksmedizin, eine eigene Tracht, Transportmittel wie Boote und Rentierschlitten sowie samische Tischlerarbeiten. Der "Joik" ist die ursprüngliche Musikform der Samen. Er hatte seinen
natürlichen Platz in der alten Religion der Samen, dem Schamanismus. Als kulturelle Ausdrucksform ist der "Joik" sehr produktiv
und vielseitig, und es sind viele verschiedene Arten komponiert worden. Zu den beliebtesten gehört der "Joik", der den Charakter einer bestimmten Person beschreibt, die dann der rechtmäßige Besitzer des
"Joik" wird. Sowohl traditionelle als auch moderne samische Musik ist jetzt auf Bühnen und Schallplatten zu hören. Niels Aslak Valkeapääs musikalisches Wirken hat einen bedeutenden Einfluß auf die Renaissance des
"Joik" gehabt. Weitere aktive "Joik"-Künstler sind Ailu Gaup (traditionell) und Mari Boine Persen, die mit "Joik"-Tönen vermischte moderne Melodien singt. Die mündliche
"Literatur" der Samen ist umfangreich. Eine besonders charakteristische Form ist die Dichtung, die zum "Joiken" gehört. Der älteste schriftliche samische "Joik"-Text findet sich in Johannes Schefferus'
Werk Lapponia, das zwei "Joik"-Gedichte enthält. Außerdem gibt es eine enorme Anzahl und Vielfalt von Sagen. Ein Teil davon ist in dem Buch Lappiske eventyr og sagn
(Lappische Märchen und Sagen) von J.K. Qvigstad (1853-1957) gesammelt. Bis zum 20. Jahrhundert wurde - neben Wörterbüchern und Sprachlehren - ausschließlich religiöse Literatur auf Samisch herausgegeben. Schon im Jahre 1728 war Luthers
Kleiner Katechismus auf Nordsamisch erschienen, übersetzt von Morten Lund. Anders Larsen (1870-1949) schrieb den ersten Roman in samischer Sprache. Bæivve-Algo Morgengrauen heißt das Buch, das
von der Entwicklung eines kleinen Samenjungen in norwegischen und samischen Milieus erzählt. In den 1970er Jahren kam die literarische Produktion allen Ernstes in Schwung. Unter den neuen Autoren finden sich Namen wie Nils
Viktor Aslaksen, Rauni Magga Lukkari, John Gustavsen und Ailo Gaup. Die samische Bildende Kunst hat ihre Wurzeln sowohl in der alten Kultur aus der Zeit der Rentierhaltung als auch in der modernen samischen
Gesellschaft. Viele verwenden in ihrem Werk die heiligen Symbole der Schamanentrommel. John Savio (1902-1938) hat sich von der Kultur der Zeit der Rentierhaltung inspirieren lassen, während Iver Jåks (geb. 1932) über eine
breitere Palette von Motiven verfügt. In den 70er Jahren wurden immer mehr Samen als Bildende Künstler tätig. Zu den neuen Namen gehören Synnøve Persen, Tryggve Lund Guttormsen und Hans Ragnar Mathiesen. Samische
Zeitungen gibt es seit 1870. Die älteste seit 1898 noch heute regelmäßig erscheinende ist die religiöse Publikation Nuorttanaste. Sámi Áigi mit Redaktion in Karasjok ist ein seit 1979 erscheinendes Nachrichtenblatt. Das erste Radioprogramm in samischer Sprache wurde 1946 ausgestrahlt. Seither sind die Sendungen länger geworden und haben einen variierteren Inhalt bekommen. Heute kann man auch im
norwegischen Fernsehen ab und zu Programme in samischer Sprache sehen. Die samische Theatergruppe Beaivvás mit Sitz in Kautokeino wurde Ende 1979 gebildet. Seit 1990 hat sie den Status eines ständigen Theaters.
Bis 1987 hatte Beaivvás rund ein Dutzend größere Produktionen. Die Gruppe ist im norwegischen Rundfunk und Fernsehen (NRK) aufgetreten und
macht Tourneen im gesamten samischen Gebiet sowie auch anderswo in den nordischen Ländern und im Ausland. Interessengebiete sind samische Traditionen, die Gegenwart der Samen sowie andere Kulturen und sprachliche Probleme. "Duodji" oder samisches Handwerk war ursprünglich ausschließlich für den eigenen Gebrauch gedacht. Heute wird in hohem Maße auch für den kommerziellen Absatz produziert. Samisches Handwerk ist für viele
Samen Haupterwerbszeig, spielt aber auch als Nebenerwerb zusätzlich zu den traditionellen samischen Erwerbszweigen eine große Rolle. "Duodji" ist im Laufe der Zeit zu einer bedeutenden Industrie geworden und umfaßt nicht
nur traditionelles Handwerk, sondern auch Kunst und Kunsthandwerk. Produktion und Vertrieb von samischem "Duodji" finden zunehmend in organisierter Form statt. Offizielle Kulturpolitik Die
offiziellen Anstrengungen zur Förderung der samischen Kultur haben sich in den ersten zwanzig Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg hauptsächlich auf das Bildungswesen konzentriert. Der "Norwegische Kulturrat" (Norsk
kulturråd), der seinen eigenen Kulturfonds verwaltet, wurde 1965 ins Leben gerufen. Zu seinen Aufgaben gehören die Bewahrung der samischen Kultur und
Maßnahmen zur Förderung der samischen Literatur. In den 70er Jahren wurde samische Sachkenntnis in den Beschlußfassungsprozeß mit einbezogen. Der Rat hat eine Reihe von Ausschüssen gebildet, deren Aufgabe es unter anderem ist,
langfristige Pläne für die samische Kultur zu erstellen. Seit 1978 hat ein weiteres Komitee der "Sachverständigenausschuß für samische Kultur" (Det sakkyndige utvalg for samisk kultur) gemeinsam mit
Unterausschüssen für die einzelnen Sachgebiete die verschiedenen Aktivitäten des Rats im kulturellen Bereich koordiniert. Die für die norwegische samische Kultur (Bildende Kunst, Literatur usw.) bereitgestellten Mittel beliefen
sich im Zeitraum von 1986 bis 1989 auf fast 35 Millionen NOK (heute rund 9 Millionen DM). Zur Zeit plant der Staat, dem Sameting die Zuteilung und die Verwaltung der für die Förderung der samischen Kultur vorgesehenen Mittel selbst
zu überlassen. Samische Erwerbszweige Neben Rentierhaltung und Fischerei sind Landwirtschaft, Handel, Industrie in kleinem Maßstab, Handwerk und Dienstleistungsindustrie die wichtigsten Erwerbszweige der
Samen. Im großen ganzen gibt es in den meisten Erwerbszweigen und Berufsgruppen der modernen Gesellschaft Samen. Studien über die Berufszugehörigkeit der Samen im Vergleich zu der anderer Gruppen haben jedoch ergeben, daß die Samen
im Dienstleistungssektor am schwächsten vertreten sind. Die Rentierhaltung ist ein wesentliches Element der Bewahrung der samischen Kultur. In den letzten Jahren hat sie jedoch einen Modernisierungsprozeß
durchgemacht, der ihre Stellung als treibende Kraft im Kampf um die Bewahrung der samischen Kultur und Identität bedroht. Die Rentierhaltung ist zu einer kapitalintensiven Industrie geworden. Bei dieser neuen Form von
Rentierhaltung, die auf maximale Fleischproduktion abgestellt ist, ist moderne Technologie zur unabdingbaren Notwendigkeit geworden. Das Areal für die Rentiere ist geschrumpft, und die Qualität der Weiden hat sich aufgrund von
industriellen Aktivitäten und Umweltschäden verschlechtert. Rentierfleisch hat an der gesamten Fleischproduktion Norwegens einen Anteil von einem Prozent, und im Jahre 1985 wurden durch Schlachtung 2000 Tonnen Rentierfleisch
produziert. Landwirtschaft ist ein Erwerbszweig in Kombination mit anderen, aber auch sie ist modernisiert worden und ist jetzt kapitalintensiv. Höhere Bildung und Forschung Seit 1848 hat die Universität
Oslo die samische Sprache vermittelt, aber auch in Tromsø und Alta und an der "Samischen Hochschule" (Samisk Høgskole) in Kautokeino sowie an den "Pädagogischen Hochschulen" (Lærerhøgskolene) in Bodø, Levanger
und Nesna wird Samisch gelehrt. In Kautokeino wurde im Herbst 1989 eine "Samische Hochschule" (Samisk Høgskole) eröffnet, die in erster Linie Lehrer ausbildet. Das "Nordische Samische Institut" (Nordisk-samisk
institutt) in Kautokeino wurde im Jahre 1974 gegründet. Es ist eine samische Forschungseinrichtung, finanziert vom Nordischen Ministerrat und aus anderen externen Quellen. Aufgabe des Instituts ist es, die samische Bevölkerung
der nordischen Länder in theoretischen und praktischen Angelegenheiten mit Forschung, Dokumentation und Dienstleistungen zu unterstützen. Die Tätigkeit des Instituts ist in drei Bereiche gegliedert: Sprache und Kultur, Bildung
und Forschung sowie Wirtschaft, Umwelt und Rechte. Samische Organisationen Die erste samische politische Organisation war vermutlich die im Jahre 1903 auf Initiative des küstensamischen Lehrers Anders Larsen
in Kvænangen gegründete. Die wiederholten Versuche seitens der norwegischen Regierung, die Samen zu "norwegisieren", waren ein Anlaß zu organisiertem Widerstand. Die erste samische politische Zeitung
Sagai Muittalægje war Anders Larsens Werk. Sie bekam großen politischen Einfluß - nicht zuletzt, weil Anders Larsen seine Kolumnen zur Förderung des Politikers Isak Saba benutzte, der später ins norwegische Storting
gewählt wurde und dort über zwei Sitzungsperioden (1906-1912) tätig war. In den 20er Jahren war der Lehrer Per Fokstad politisch aktiv, aber in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen waren die samischen Organisationen im
allgemeinen passiv. Nach dem Zweiten Weltkrieg dann wurden die samischen Organisationen wieder aktiv. Der "Landesverband der samischen Rentierhalter in Norwegen" (Norske Reindriftssamers Landsforbund, NRL)
ist die älteste überlebende Organisation in Norwegen. Gegründet im Jahre 1948, hat der NRL die Aufgabe, die Interessen der samischen Rentierhalter wahrzunehmen. Zielsetzung des im Jahre 1968 gegründeten "Landesverbandes
der norwegischen Samen" (Norske Samers Riksforbund, NSR) ist es, die Rechte der Samen als Volk und Urbevölkerung zu behaupten und die allgemeinen Lebensbedingungen der Samen zu verbessern. Der im Jahre 1979 gegründete
"Landesverband der Samen" (Samenes landsforbund, SLF) möchte die samische Kultur und Sprache schützen und entwickeln. Er nimmt außerdem Sonderinteressen in Bereichen wahr, in denen die Samen eine klare Minorität
darstellen. Die Samen leiteten ihre nordische Zusammenarbeit ein, indem sie im Jahre 1953 in Jokkmokk in Schweden eine Konferenz abhielten. Eine zweite Konferenz fand 1956 in Karasjok in Norwegen statt. Auf dieser
Konferenz wurde die Bildung eines "Nordischen Samischen Rates" (Nordisk Sameråd) beschlossen. Dieser Rat fungiert als Zusammenarbeitsorgan für die norwegischen, schwedischen und finnischen politischen Organisationen der
Samen. Folgende Organisationen und Organe sind Mitglieder des "Nordischen Sami- schen Rates": von Schweden der "Landesverband der schwedischen Samen" (Svenska Samernas Riksforbund) und die
"Landesorganisation Same AEtnan " (Riksorganisationen Same AEtnan); von Norwegen der NSR und der NRL; von Finnland die "Delegation für samische Angelegenheiten" (Delegationen før Sameærenden - finnisches
Parlament der Samen). Ab 1992 sind russische Samen im "Samischen Rat" vertreten. Der norwegische SLF wird in diesem Jahr wahrscheinlich ebenfalls Mitglied des "Nordischen Samischen Rates". Über den
"Nordischen Samischen Rat" nehmen die Samen am World Council of Indigenious Peoples" (WCIP) teil, der weltweiten Organisation zur Förderung der Gemeinschaft zwischen den Urbevölkerungen der Welt sowie des sinnvollen
Wissens- und Erfahrungsaustausches zwischen den Urbevölkerungen und zur Stärkung ihrer Organisationen in den verschiedenen Mitgliedsländern. Die erste Weltkonferenz wurde im Jahre 1975 - dem Gründungsjahr des WCIP - in Port Alberni
in Kanada abgehalten. Die den Samen gemeinsamen an Anliegen kommen in einem nordischen politischen Programm zum Ausdruck, das 1980 in Tromsø verabschiedet wurde. Das Programm enthält folgende Prinzipien:
- Wir Samen sind ein Volk, dessen Zusammengehörigkeit nicht durch Staatsgrenzen gespalten werden soll.
- Wir haben unsere eigene Geschichte, unsere Traditionen,
- eigene Kultur und unsere eigene Sprache. Von unseren Vorfahren haben wir das Recht auf Land und Wasser und unsere eigenen wirtschaftlichen Aktivitäten erworben.
- Es ist unser unveräußerliches Recht, unsere eigenen wirtschaftlichen Aktivitäten und unsere Gemeinschaften in Über-einstimmung mit unseren Lebensbedingungen zu bewahren und zu entwickeln, und wir werden gemeinsam unsere
Territorien, unsere Naturreichtümer und unser nationales Erbe fürkommende Generationen bewahren.
Das Sameting - samisches Parlament Das "Samengesetz" (Sameloven) über das samische Parlament und andere Rechtsbelange der Samen enthält die Hauptregeln für das Sameting. Das Gesetz wurde im Frühjahr
1989 vom Storting verabschiedet. Das Sameting wurde im Oktober 1989 von König Olav V. eröffnet. Das Sameting ist ein den allgemeinen Regeln der öffentlichen Verwaltung unterstelltes Organ. Sein Arbeitsbereich, sein
Recht, Empfehlungen auszusprechen und seine Befugnisse sind im "Samengesetz" verankert. Das Sameting befaßt sich mit allen für die samische Bevölkerung wichtigen Angelegenheiten. Es kann auf eigene
Initiative allen öffentlichen Behörden und privaten Einrichtungen usw. Angelegenheiten unterbreiten. Das Sameting hat Beschlußfas-sungsbefugnis, wenn diese in anderen Bestimmungen des Gesetzes oder auf andere Weise
festgelegt ist. Die Abgeordneten des Sametings werden durch Mehrheitswahl von Samen gewählt, die sich in ein Wahlregister eingetragen haben. Das Sameting, dessen Tätigkeit von einer besonderen Verwaltungsinstanz in Karasjok
gesteuert wird, begann 1990 mit der Arbeit. Zu den Hauptthemen dieses ersten Jahres seiner Tätigkeit gehörten die Frage der Rentierhaltung und Fischerei, die Sprachenfrage und die seitens der norwegischen Streitkräfte geplanten
Bauvorhaben auf samischem Territorium.
Die Autorin des Beitrags, Elina Helander, hat Sprachen, Ethnographie und Politische Wissenschaften studiert und an der Universität Umeå in Schweden zum Dr. phil. promoviert. Ab 1975 war sie als wissenschaftliche Assistentin
und als Universitätslehrbeauftragte der samischen Sprache tätig. Am "Nordischen Samischen Institut" (Nordisk-Samisk Institutt), einer nordischen Forschungseinrichtung in Kautokeino in Norwegen, hat Frau Dr.
Helander seit 1985 gearbeitet, zunächst als Leiterin der Unterrichtsabteilung, dann als Institutsleiterin.Elina Helander hat sich in ihrer Forschung vor allem für die samische Sprache und deren Bedeutung für die
Identität der Samen interessiert. Sie hat außerdem eine Reihe von Artikeln über die gegenwärtige Situation der Samen publiziert und plant jetzt eine Studie über die samische Jugend.
Anmerkung der Übersetzerin: * Samen = eigener Name der Lappen ** Fylke: Norwegen ist in 19 Fylker und 448 Gemeinden gegliedert. Ein Fylke entspricht regional etwa einem
Bundesland. Aufgrund der von anderen Staaten abweichenden Organisation der Zuständigkeiten ist eine direkte Übersetzung jedoch nicht möglich.
Herausgegeben von Nytt fra Norge für das Kgl. Norwegische Außenministerium. Für den Inhalt des Beitrags ist ausschließlich der Autor verantwortlich. Nachdruck gestattet. Gedruckt im April 1992 .
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